„Wie war’s gestern abend? Gut, ich war Schwimmen, Radfahren und Laufen“, sagt Nico und strahlt dabei übers ganze Gesicht. Drei Stunden sei er unterwegs gewesen. Geht’s nicht auch eine Nummer kleiner? Eine kurze Joggingrunde im Park, ein paar Liegestützen und dann Kino oder was Leckeres essen? „Da habe ich auch Spaß dran, aber für einen Triathlon wäre dies dann doch ein bisschen wenig Vorbereitung.“ Und wenn Nico von Triathlon spricht, dann von dem richtigen: 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radeln und 42,2 Kilometer Laufen – am Stück. Und das am besten auf Hawaii, wo sich jedes Jahr die Besten der Besten beim Ironman treffen.
Im letzten Jahr ist Nico nach neun Stunden und neun Minuten ins Ziel auf dem legendären Ali’i Drive in Kona eingelaufen. Eine Fabelzeit für Hobbysportler. Platz 169 in der Gesamtwertung, eine Stunde 17 Minuten hinter seinem Landsmann, dem Profi Patrick Lange, der sich bei seinem zweiten Hawaii-Erfolg nach einem neuen Streckenrekord den Lorbeerkranz auf den Kopf setzen ließ.
Um derart eindrucksvoll in der Riege der Superathleten mithalten zu können, kommen für Nico zwölf bis 18 Stunden Training pro Woche zusammen – in der Freizeit wohlgemerkt. Denn anders als Patrick Lange, Jan Frodeno, Faris Al-Sultan & Co., die als Vollprofis ans Leistungslimit gehen, hat Nico neben dem Triathlon auch noch einen anspruchsvollen Job, und zwar in Vollzeit.
Blicken wir zurück. 2006 hatte Nico nach der Realschule im heimischen Sindelfingen eine Ausbildung bei EDAG zum Technischen Produktdesigner begonnen. Er ist gekommen, um zu bleiben. Heute ist er Projektkoordinator in der Fahrzeugkarosserieentwicklung und arbeitet mit seinem Team für Kunden wie Daimler an CAD-Konstruktionen. Im Fokus der EDAG-Konstrukteure in Sindelfingen sind Bauteile und Baugruppen für den Karosserierohbau.
„Ich war schon von klein auf sehr technikaffin, habe immer gerne gebastelt und geschraubt und baue mir bis heute meine Möbel selbst“, berichtet Nico. Auch den Umbau eines VW-Busses zum Sport- und Reisemobil habe er selbst in die Hand genommen. „Ich tüftle einfach gerne an eigenen Lösungen.“
Da liegt es nahe, dass er sich auch Teile für sein Triathlon-Fahrrad nach Möglichkeit maßanfertigt. Zuletzt habe er (nach dem Training!) im CAD eine Verpflegungsbox mit Fahrradhalterung konstruiert und im 3D-Druck passend für seine Bedürfnisse gebaut. „Dabei folge ich einfach nur meiner Neugier und der Lust, die Grenzen des Erwartbaren immer ein bisschen weiter zu verschieben“, stellt Nico fest. „Das gefällt mir auch so bei EDAG. In unseren Projekten geht es um die vielen ausgeklügelten Details. Wir beschäftigen uns mit anspruchsvollster Präzisionstechnik. Und das nicht etwa im Format einer Schweizer Uhr, sondern in der Größe eines Autos.“
Aber wie passen diese Begeisterung für den Job und die Leidenschaft für den Triathlon zusammen? Kann es überhaupt gelingen, auf allen Feldern top zu sein, ohne dass unterwegs irgendwo der im Marathon so gefürchtete „Mann mit dem Hammer“ zuschlägt? „Beim Triathlon gibt es wie in herausfordernden Projekten unterwegs immer die Phasen, in denen du dir die Frage stellst: Warum tust du dir das überhaupt an? Schaffst du es noch?“, weiß Nico aus eigener Erfahrung. „Solche negativen Gedanken bringen einen nicht weiter. Du musst dir vielmehr positive Ziele setzen und intensiv in dich reinhorchen, welche Kräfte du mobilisieren musst und wo du sie sinnvollerweise einteilst.“
Triathlon-Teilnehmende sind Verrückte, die nichts anderes im Sinn haben als vor sich hin zu trainieren, perfektionistisch und fokussiert zu sein. Diesem verbreiteten Klischee mag Nico nicht entsprechen: „Ein Leben nur im Tunnel wäre nichts für mich. Mir geht es darum, bei meinem Sport Spaß zu haben. Die Limits setzt mir dabei mein Körpergefühl.“
Wenn in Projekthochphasen eine 50-Stunde-Woche anstehe, könne der Körper nicht gleichzeitig für hohe Belastungen im Sport bereit sein. „Da werde ich dann nichts erzwingen und schon gar nicht meine Gesundheit riskieren“, erklärt Nico. „Mir geht es grundsätzlich darum, meine Ziele spielerisch zu erreichen, mich dabei auch maximal zu fordern – allerdings immer nur im Rahmen der gerade gegebenen Möglichkeiten.“
Deswegen mag er sich als Sportler auch nicht vermarkten lassen. „Professionelles Sponsoring interessiert mich nicht. Ich habe keine Lust, abhängig zu sein, sondern will immer die Freiheit haben, das zu tun, was ich möchte. Nämlich Sport machen, der mich erfüllt und eins werden lässt mit der Natur“, sagt Nico und klingt dabei sehr entschieden.
Und wo wir schon bei den Klischees sind: Triathlon-Teilnehmende sind nicht nur verrückt, sondern mehr noch: verrückte Einzelgänger und Einzelgängerinnen, die an den Wechselstationen und im Zieleinlauf auch gern mal die Ellenbogen ausfahren. „Für mich geht es im Sport wie im Job immer um Teamplay“, hält Nico dagegen. „Auch individuelle Bestleistungen haben am Ende doch immer viele Väter und Mütter.“ Kürzlich sei er mit Freunden aus dem Sport in vier Tagen über die Alpen von Oberstdorf nach Meran gerannt. Mit nur zwei Kilo Gepäck im Rucksack. „Da muss man sich aufeinander verlassen können und jeder für die Gruppe Verantwortung übernehmen, alleine schafft man das nicht. Aus Rücksicht wächst die Kraft der Gemeinsamkeit. Und die kann Berge versetzen“, sagt Nico.
Von solchen Erfahrungen profitiert er auch in der Projektarbeit. „Nur gemeinsam kommen wir zum Erfolg. Das ist mein Mantra. Wenn jeder sein Bestes gibt, wird es was“, weiß Nico. „Wenn es wie bei der Alpenüberquerung beim Aufstieg auf den Pass mal schwierig wird, bringt es nichts, Druck aufzubauen, da müssen wir vielmehr gemeinsam eine Lösung finden, wie wir die Aufgabe meistern können. Daraufhin dann alles aus sich herauszuholen, macht Spaß und bringt große Erfüllung.“ Im Ziel, das wisse er als „Ironman“, werden die Strapazen belohnt. Selbst wenn man nicht ganz oben auf dem Treppchen stehe.